USA

Biden gibt sich bei seiner Rede zur Lage der Nation angriffslustig

Christiane Jacke, Julia Naue und Magdalena Tröndle

Von Christiane Jacke, Julia Naue und Magdalena Tröndle (dpa)

Fr, 08. März 2024 um 20:04 Uhr

Ausland

Mit einem kämpferischen Auftritt im Kongress hat US-Präsident Joe Biden versucht, im Wahlkampf zu punkten. Er bemühte sich, Zweifel an seiner mentalen Fitness zu zerstreuen, und bestand die Bewährungsprobe.

Bei der traditionellen Rede zur Lage der Nation vor den beiden Parlamentskammern am Donnerstagabend (Ortszeit) inszenierte sich der 81-Jährige als Gegenstück zu seinem voraussichtlichen Herausforderer bei der Präsidentenwahl im November, Donald Trump, den er lediglich als seinen "Vorgänger" bezeichnete. Dieser stehe für Wut, Rache und Vergangenheit, er selbst für Anstand, Würde und Zukunftsideen, erklärte Biden. Mit Selbstironie reagierte er auf Skepsis wegen seines hohen Alters. Biden, der bei der Wahl für eine zweite Amtszeit antreten will, hat aber mit schweren Imageproblemen zu kämpfen. Seine Beliebtheitswerte sind im Keller.

Die Sache mit dem Alter

Mehrfach thematisierte Biden offensiv sein Alter. "Ich weiß, es sieht vielleicht nicht so aus, aber ich bin schon eine Weile dabei", scherzte er. Bidens Alter ist seine größte Bürde im Wahlkampf. Er war 2021 als ältester Präsident aller Zeiten ins Weiße Haus eingezogen und wäre am Ende einer zweiten Amtszeit 86. Regelmäßig sorgt er mit peinlichen Patzern und Versprechern für Aufsehen, was Republikaner regelmäßig ausschlachten.

Vor allem in letzter Zeit häuften sich die Negativ-Schlagzeilen über Bidens geistigen Zustand. Die viel beachtete Rede im Kongress mitten im Wahlkampf war daher auch eine Art Bewährungsprobe für Biden, um aus dem Stimmungstief zu kommen. Der Präsident brachte die mehr als einstündige Rede ohne größere Versprecher über die Bühne. Trump ätzte parallel dennoch über seinen Kontrahenten und setzte im Liveticker-Stil auf der Plattform Truth Social drei Dutzend Beiträge ab, in denen er Biden verspottete.

Chips, Snickers und Innenpolitik

Biden konzentrierte sich in weiten Teilen der Rede auf innenpolitische Themen, die viele Amerikaner im Alltag umtreiben: Inflation, Jobs, Medikamentenpreise, Mieten, Steuern, Kriminalität – aber auch die Kosten für Chips und Schokoriegel wie Snickers. Hoch her ging es beim Thema Migration, um das im Wahlkampf hart gekämpft wird. Mehrfach unterbrachen Republikaner den Präsidenten hier mit Zwischenrufen, die Biden jedoch konterte.

Der US-Präsident distanzierte sich klar von Trumps migrationspolitischem Kurs. "Ich werde keine Familien trennen", sagte der Demokrat. Er werde nicht die Einreise von Menschen aufgrund ihres Glaubens verbieten. Und er werde "Einwanderer nicht verteufeln und sagen, sie seien Gift im Blut unseres Landes". Stattdessen streckte Biden erneut die Hand zu den Republikanern aus und rief diese zur Zusammenarbeit auf. Zuletzt hatten die Republikaner im Kongress auf Geheiß Trumps ein überparteilich ausgehandeltes Gesetz blockiert, das mehr Ressourcen zur Grenzsicherung und strengere Regeln vorsah.

Die wirtschaftliche Lage

Viel Zeit widmete Biden der Wirtschaftslage, denn die ökonomische Zufriedenheit der Amerikaner könnte die Wahl mit entscheiden. Eigentlich steht die US-Wirtschaft nicht schlecht da. Die Inflation ist deutlich zurückgegangen. Auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist gut. Doch bei den Menschen in den USA scheint das nicht anzukommen. Umfragen zufolge sind viele frustriert über hohe Preise. Biden pries die wirtschaftspolitischen Impulse, die er gesetzt habe, und argumentierte, diese machten sich nicht sofort bemerkbar. "Das braucht Zeit, aber das amerikanische Volk beginnt, es zu fühlen."

Die Situation in Nahost

Die Außenpolitik nahm in Bidens Rede eher weniger Raum ein. Der Präsident setzte jedoch einen besonderen Akzent zum Nahost-Konflikt, da er auch hier bei vielen Wählern zuletzt an Unterstützung eingebüßt hat. Muslime, Amerikaner arabischer Herkunft und viele Jüngere im Land beklagen, dass die USA einseitig an der Seite Israels stehen und zu wenig tun, um das Leid der palästinensischen Bevölkerung zu lindern. Unweit des Kapitols versammelten sich am Donnerstagabend Demonstranten.

Biden prangerte bei seiner Rede nun eindringlich die dramatische humanitäre Lage im Gazastreifen an, wo die Menschen unter dem Bombardement leiden, mit dem die israelische Armee auf den Angriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel reagiert. Der Präsident versprach den Menschen dort weitere Hilfe und ermahnte Israels Führung, mehr für den Schutz unschuldiger Palästinenser zu tun. Die Situation sei "herzzerreißend", beklagte er. "Israel muss mehr Hilfslieferungen nach Gaza zulassen", mahnte der Demokrat. "Humanitäre Hilfe darf nicht zweitrangig sein oder als Verhandlungsmasse dienen." Biden verkündete, er habe das US-Militär angewiesen, einen temporären Hafen an der Küste des Gazastreifens einzurichten, um auf dem Seeweg Hilfe zu bringen. Angesichts der katastrophalen Lage hatten die USA am vergangenen Wochenende mit Hilfslieferungen aus der Luft begonnen. Die USA sehen sich zu diesen Schritten gezwungen, weil Israel humanitäre Hilfe beschränkt.

Der Krieg in der Ukraine

Joe Biden forderte den Kongress erneut auf, weitere Hilfen für die Ukraine freizugeben, die sich seit zwei Jahren gegen eine russische Invasion zur Wehr setzt. Russlands Präsident Wladimir Putin werde sich nicht mit der Ukraine zufriedengeben, warnte Biden – und sagte direkt an den Kremlchef gerichtet: "Wir werden nicht weglaufen." Die USA galten in den vergangenen zwei Jahren seit dem Beginn des Krieges als wichtigster Verbündeter Kiews und lieferten in gewaltigem Umfang Waffen und Munition. Seit geraumer Zeit gibt es jedoch keinen Nachschub mehr aus den USA. Hintergrund ist eine innenpolitische Blockade im US-Kongress, wo Republikaner weitere Hilfen für Kiew bislang verweigern.

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