"Gefundenes Fressen" für Geheimdienste

Tobias Heimbach

Von Tobias Heimbach

Mi, 06. März 2024

Deutschland | 1

Durch einen "individuellen Anwenderfehler" habe Russland eine Videokonferenz bei der Bundeswehr abhören können, sagt Verteidigungsminister Boris Pistorius. Ein Teilnehmer war aus einem Hotel in Singapur zugeschaltet.

Es war eine sehr kurzfristige Einladung, die das Verteidigungsministerium am Dienstagmorgen verschickte – zu einer Pressekonferenz, die dann weniger als drei Stunden später stattfand. Minister Boris Pistorius (SPD) sprach über weitere Erkenntnisse im Abhörfall bei der Bundeswehr, der am Wochenende für Aufsehen sorgte. Russische Medien hatten Aufnahmen von einer Besprechung hochrangiger Offiziere veröffentlicht, in der es auch den möglichen Einsatz von deutschen Taurus-Marschflugkörpern durch die Ukraine ging.

Mit den Details, die der Minister am Dienstag zu dem Vorfall vorstellte, versuchte er, die Lage zu beruhigen. "Kommunikationssysteme wurden nicht kompromittiert", sagte Pistorius. Ein "individueller Anwenderfehler" eines Teilnehmers der Telefonkonferenz sei schuld gewesen, dass das Gespräch abgehört werden konnte. Doch Pistorius machte auch klar: Die Bedrohung durch solche Spionageakte wird bleiben.

Beim konkreten Abhörfall sei die Besprechungssoftware Webex genutzt worden, sagte Pistorius. Allerdings nicht die öffentlich zugängliche Version, sondern eine für den Dienstgebrauch zertifizierte Variante. Diese sei erlaubt, solange die besprochenen Inhalte maximal als VS-NfD ("Verschlusssachen – nur für den Dienstgebrauch") eingestuft sind. Es handelt sich dabei um die unterste der vier Geheimhaltungsstufen für Behörden. Derzeit werde noch geprüft, ob das genutzte Kommunikationsmittel den Gesprächsinhalten angemessen gewesen sei.

Unsicher wurde die Software wohl, weil sich einer der Teilnehmer des Gesprächs über sein Mobiltelefon aus Singapur zugeschaltet habe, wie der Minister erklärte. Der betreffende Luftwaffen-Offizier hatte dort eine militärische Luftfahrtmesse besucht. Pistorius sagte, eine solche Veranstaltung sei ein "gefundenes Fressen" für den russischen Geheimdienst. Die Mobilfunk-Verbindung des genutzten Handys oder das W-LAN des Hotels seien eine mögliche Einfallstür für die Hacker gewesen, sagte der Minister. Von der Geheimhaltung her sei aber "überschaubar" gewesen, was in der Telefonkonferenz besprochen worden sei.

Formell habe er disziplinarische Vorermittlungen gegen alle vier Teilnehmer der Schaltkonferenz genehmigt, sagte Pistorius. Dies müsse aber auch gemacht werden, um etwa entlastendes Material zu sammeln. Er betonte auch, dass personelle Konsequenzen "derzeit nicht auf der Agenda" stünden. Wenn nicht noch etwas Schlimmeres herauskomme, "werde ich niemanden meiner besten Offiziere Putins Spielen opfern", sagte er.

Pistorius sagte, dass er sich mit Verbündeten in Verbindung gesetzt habe, um sie über den Vorfall zu informieren. "Ich habe keinerlei Anzeichen wahrgenommen, dass man uns in irgendeiner Weise misstraut." Der Minister ergänzte: "Das Vertrauen in uns als Nato-Partner ist nicht beschädigt." Im konkreten Fall gibt es offenbar das Bemühen, die Lage herunterzuspielen. Doch grundsätzlich macht man sich bei den Sicherheitsorganen keine Illusionen über das Vorgehen Russlands. In seinem Jahresbericht des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) heißt es im Kapitel "Spionageabwehr", Russland nutze "hybride Maßnahmen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung".

Pistorius machte deutlich, dass es aus seiner Sicht auch in Deutschland Stimmen gebe, die zumindest die Narrative Moskaus unterstützen. Er sagte, Putin bestimme seit Monaten die Agenda, die die Diskussionen in Deutschland setze. "Es finden sich immer willfährige Büchsenspanner in der deutschen Politik, bei der AfD oder bei den Linken, die das gerne aufgreifen", kritisierte er.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnte am Rande ihrer Reise auf den Westbalkan, es gehe Putin auch um eine "Destabilisierung der anderen europäischen Länder". Auch Pistorius mahnte weiter zu Wachsamkeit. Die Kommunikationssysteme der Bundeswehr müssten laufend verbessert werden. Kenntnis von einem weiteren Abhörfall habe er nicht. Und doch räumte er ein: Das schließe nicht aus, dass es weitere geben könnte.

Kommentare (1)

Liebe Leserinnen und Leser,
die Kommentarfunktion ist aktuell geschlossen, es können keine neuen Kommentare veröffentlicht werden.

Öffnungszeiten der Kommentarfunktion:
Montag bis Sonntag 6:00 Uhr - 00:00 Uhr

  • Klaus Nied
    164 seit 7. Mär 2017

    Nun, in der Telefonkonferenz ging es ja um eine mächtige Waffe für die Ukraine. Im April 2022 ging es bei der Bundestagsabstimmung auch um Lieferung schwerer Waffen, die Herrn Scholz massiv unter Druck setzte. Eine Woche vorher erlangte die Staatsanwaltschaft plötzlich den Aufenthaltsort des Herrn Marsalek und stellte Anfang Mai den Auslieferungsantrag.
    Im Spätsommer 2023 war der Druck auf Herrn Schplz wieder sehr groß betreffs Taurus. Und Schwupps bekommt die Staatsanwaltschaft einen Brief von Herrn Marsalek mit Insiderwissen.
    Vor einer Woche beschließt das EU-Parlament mit 450 zu 49 Stimmen, dass Deutschland Taurus liefern soll. Gewaltiger Druck auf Herrn Scholz. Und Schwupps liefert Moskau ein abgehörtes Gespräch, und somit Herrn Scholz ein Sicherheitsargument, Taurus erst recht nicht zu liefern.
    Zufall ?
    In den letzten Jahren gab es drei Wahlen, deren Ergebnis für Putin sehr wichtig war: Schottlands Abspaltung von Groß-Brittanien, der Brexit, und die Wahl von Trump. Bei allen drei Wahlen stieg die Zustimmung für Putins Ergebnis in den sechs Monaten vor der Wahl deutlich an. Und wir wissen, dass in allen drei Fällen Putins Leute im Wahlkampf heftig manipuliert haben.
    Für Putin war sehr, sehr wichtig, dass Scholz Kanzler wurde. Wegen Nordstream, aber vor allem wegen Wirecard und Marsalek. Herr Scholz sagte im April, er werde der nächste Kanzler Deutschlands. Da lag die SPD bei 17 %. Im September waren es 27 %.
    Das sind mir zu viele Zufälle.

    • 6. Mär 2024 - 07:47 Uhr
    • Melden

Weitere Artikel