Kritische Infrastruktur
Nach Tesla-Anschlag fordert die Wirtschaft in Deutschland mehr Sicherheit
Der Angriff auf die Stromversorgung des Autobauers Tesla in Brandenburg schreckt Politik und Wirtschaft auf. Bekannt hat sich die linksextreme "Vulkangruppe". Verfassungsschützer haben sie schon länger im Blick.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sprach von einem "Verbrechen". Es sei "in jeder Hinsicht falsch und in keinster Hinsicht zu akzeptieren".
Das Innenministerium plant schon länger ein sogenanntes Kritis-Dachgesetz – noch in der ersten Jahreshälfte soll es fertig sein. Damit soll die kritische Infrastruktur besser gegen Gefahren geschützt werden. Darüber hinaus sei es erst einmal die Pflicht der Netzbetreiber, ihre Infrastruktur zu schützen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Dies sei natürlich bei einem Umspannwerk leichter als bei einem Strommast auf einem Feld.
Die Wirtschaft dringt nach dem Anschlag auf mehr Sicherheit. "Politik und Wirtschaft sind gemeinsam gefordert, die Sicherheit der Netze und kritischer Anlagen zu gewährleisten", sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer Martin Wansleben.
Der US-Elektroautobauer Tesla rechnet mit einem Produktionsausfall bis Ende nächster Woche in Grünheide bei Berlin, seinem einzigen Autowerk in Europa. Mit dem längeren Produktionsstopp dürfte der Schaden für das Unternehmen steigen. Zuletzt nannte Tesla mehrere hundert Millionen Euro. Aber da war noch mit einem Wiederanlauf der Fertigung am nächsten Montag gerechnet worden. Nun käme eine weitere Woche Stillstand dazu.
Unbekannte Täter hatten am Dienstag auf einem Feld Feuer an einem Strommast gelegt, der auch für die Versorgung der Tesla-Fabrik zuständig ist. Zehntausende Bewohner in der Region waren von Stromausfall betroffen. Die Polizei bezeichnete ein Bekennerschreiben der linksextremen "Vulkangruppe" als authentisch.
Viel ist über deren Mitglieder nicht bekannt. Vom Verfassungsschutz wird die Gruppe dem anarchistischen Spektrum zugeordnet. Demnach soll sie sich 2011 gegründet und eine Reihe von Brandanschlägen in Berlin und Brandenburg verübt haben. Bei den Angriffen wurden als Ziel meist Kabelschächte an Bahntrassen gewählt. Mehrfach griff die Gruppe Funkmasten oder Datenleitungen an, teilweise auch Firmenfahrzeuge. So soll die "Vulkangruppe" dem Verfassungsschutz zufolge durch Sabotageakte "die Verwundbarkeit der urbanen Mobilitäts- und Kommunikationsinfrastruktur offenbaren, die öffentliche Ordnung stören und erheblichen Sachschaden anrichten".
In mindestens acht Fällen sollen sich laut Verfassungsschützern die Texte der Bekennerschreiben so ähneln, dass die Behörde von einem "(teil-)identischen Autorenkreis" ausgeht. Die Gruppe stand bereits 2021 im Verdacht, einen Brandanschlag auf die Stromversorgung der Tesla-Baustelle verübt zu haben. Damals brannten Stromkabel in einem Wald 500 Meter von dem Werk des Autobauers entfernt. Im März 2018 verübte die Gruppe in Berlin einen Brandanschlag auf Starkstromleitungen. 6500 Wohnungen und 400 Firmen waren stundenlang ohne Strom.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) telefonierte mit Tesla-Eigentümer Elon Musk. "Elon Musk war sehr sachlich und souverän in der Reaktion", sagte Steinbach dem Tagesspiegel. "Es bestand sofort Einigkeit, dass als Reaktion nichts passieren darf, was den Attentätern einen Erfolg gegönnt hätte." Musk forderte jedoch Solidarität und vertrauensbildende Maßnahmen zur Unterstützung des Unternehmens und seiner Beschäftigten ein.
Der Widerstand gegen Tesla nimmt zu. Bei einer Bürgerbefragung in Grünheide lehnten rund zwei Drittel die geplante Erweiterung um einen Güterbahnhof und Lager ab. Dort sollen mehr als 100 Hektar Wald gerodet werden. Inzwischen haben Umweltschützer und Tesla-Kritiker in der Nähe des Werks im Wald ein Camp mit Baumhäusern aufgeschlagen.