Debatte
RAF-Fahndung: Software zur Gesichtserkennung ist umstritten
In Berlin läuft die Fahndung nach den Ex-RAF-Terroristen Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg auf Hochtouren. Derweil stellt sich die Frage, weshalb Journalisten die Terroristin Daniela Klette finden konnten – aber Polizisten nicht.
Kurze Zeit nach Klettes Verhaftung hatte sich herausgestellt: Ein Team von Journalisten der Podcast-Produktionsfirma "Undone" war schon vor einigen Monaten kurz davor, sie zu enttarnen. Im Dezember veröffentlichten sie ihre Recherche als rbb-Podcast. Die Journalisten arbeiteten mit dem Recherche-Kollektiv "Bellingcat" zusammen, das eine Gesichter-Suchmaschine nutzte, um die Terroristin zu finden: eine Software, in die man das Foto eines Menschen einlesen kann, um im Internet nach weiteren Bildern von ihm zu suchen. "Die Suche hat mich nicht mehr als eine halbe Stunde nach Feierabend gekostet", sagte David Colborne von "Bellingcat" im Spiegel.
Wie kann es sein, dass den Journalisten in so kurzer Zeit gelang, woran die Polizei über Jahrzehnte scheiterte? Was ist das für eine Software? Und warum konnten die Ermittler nicht damit arbeiten?
Die Gesichter-Suchmaschine, die die Journalisten auf die entscheidende Fährte brachte, ist frei im Internet zugänglich. Ermittler nutzen zwar ähnliche Programme, doch der entscheidende Unterschied liegt im Datensatz. Die Polizei darf nur Fotos aus ihrem eigenen Archiv verwenden. Die Suchmaschine, mit der die Journalisten arbeiteten, greift hingegen auf Bilder aus dem Internet zurück – ein unvergleichbar größeren Datensatz.
Die Polizeigewerkschaften halten das für unzeitgemäß. "Dass die Polizei im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz, Automatisierung und Digitalisierung solch hilfreiche Software nicht nutzen darf, ist uns Polizistinnen und Polizisten nicht mehr vermittelbar", kritisierte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Jochen Kopelke in einer Mitteilung.
Die Software, die bei der journalistischen Recherche zu Klette eingesetzt wurde, ist allerdings juristisch hoch umstritten. Die Regeln der EU-Datenschutzgrundverordnung verbieten es, biometrische Daten zu verwenden, um Personen zu identifizieren, wenn diese dem nicht explizit zugestimmt haben.
Auch wegen dieser rechtlichen Unklarheit dürfen Ermittler die Software nicht einfach verwenden. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Kriminalpolizist Sebastian Fiedler fordert dennoch, dass die Polizei technisch mehr können müsse, etwa durch eine eigene Software. "Gerade bei der Suche nach Terrorverdächtigen oder flüchtigen Mördern sollte es der Kriminalpolizei mit gerichtlichem Beschluss möglich sein, das Internet nach frei zugänglichen Bildern zu durchsuchen", sagte Fiedler.
Die Juristin Simone Ruf von der Gesellschaft für Freiheitsrechte sieht das anders. Auch sie verweist zwar darauf, dass sich Polizisten im Fall von Gefahrenabwehr nicht an die Datenschutzgrundverordnung halten müssen, weil dann eine andere EU-Richtlinie greife. Aber sie sagt auch: "Eine Gesichter-Suchmaschine ist mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar." Auch wegen Artikel 3 des Grundgesetzes – der Gleichheit vor Gesetz – sei eine solche Software im Einsatz der Polizei nicht möglich: "Bei schwarzen Menschen haben Programme zur Gesichtserkennung eine hohe Fehlerquote. Das führt zum Beispiel in den USA dazu, dass sie oft zu Unrecht festgenommen werden."
Auch die Podcastmacher schauen kritisch auf die Software, die ihnen half. Es sei gut, dass die Polizei sie nicht einfach nutzen dürfe, sagte der Podcast-Produzent Khesrau Behroz nach der Festnahme von Daniela Klette. "Sonst hätten wir hier ganz schnell chinesische Verhältnisse." Und auf noch etwas wies Behroz hin: dass das Tool erst seit wenigen Jahren auf dem Markt sei. Die längste Zeit hätte es den Ermittlern somit ohnehin nicht helfen können.