Russland stellt Deutschland bloß
Das politische Berlin ist in Aufruhr, seit Russland ein mitgeschnittenes Gespräch deutscher Offiziere zum Waffensystem Taurus veröffentlicht hat. Die Union stellt die Glaubwürdigkeit des Bundeskanzlers infrage.
Am Freitag hatte Russland ein mitgeschnittenes Gespräch hoher Offiziere veröffentlicht, in der sie Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper Taurus erörterten, falls dieser doch noch an die Ukraine geliefert würde. Die Offiziere kommen zu dem Ergebnis, dass ein schneller Einsatz nur mit Beteiligung deutscher Soldaten möglich wäre – und dass eine Taurus-Ausbildung ukrainischer Soldaten für einen Einsatz in alleiniger Regie möglich wäre, aber Monate dauern würde. Diskutiert wird auch über die mögliche Zerstörung der von Russland gebauten Brücke zur völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Halbinsel Krim.
Verteidigungsminister Boris Pistorius wertete die Veröffentlichung des internen Gesprächs durch Russland als "hybriden Angriff zur Desinformation". "Es ist Teil eines Informationskriegs, den Putin führt", sagte der SPD-Politiker am Sonntag in Berlin mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Es geht um Spaltung. Es geht darum, unsere Geschlossenheit zu untergraben. Und dementsprechend sollten wir besonders besonnen darauf reagieren, aber nicht weniger entschlossen." Es gehe darum, "Putin nicht auf den Leim zu gehen".
Der Minister sagte, ihm lägen bislang keine Erkenntnisse über weitere Leaks oder das Mithören von weiteren Telefonaten vor. Er erwartet in den ersten Tagen der neuen Woche Ergebnisse der internen Prüfung des Vorgangs. Auf die Frage nach möglichen personellen Konsequenzen sagte er: "Ich spekuliere grundsätzlich nicht vor Abschluss solcher Untersuchungen über personelle Konsequenzen. Das wäre definitiv viel zu hoch gegriffen."
Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter sagte im ZDF, es müsse geklärt werden, "warum der Bundeskanzler mit Falschbehauptungen in die Öffentlichkeit geht, wo er sagt, dass deutsche Bundeswehr-Beteiligung vor Ort nötig sei". Der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten, Alexander Dobrindt, forderte im Spiegel: "Der Bundeskanzler muss sich dafür vor dem Bundestag erklären." Ein Untersuchungsausschuss sei denkbar. Die Union beantragte zudem laut Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses, zu der Scholz erscheinen soll.